Immer am letzten Wochenende im Mai wird es voll im Merfelder Bruch und das bereits seit 1907. Rund 15.000 Besucherinnen und Besucher lockt die traditionsreiche Veranstaltung in das Naturschutzgebiet bei Dülmen.
Ein bisschen Theorie und Hintergrundwissen vorweg: Das oberste Ziel des Naturschutzes im Merfelder Bruch ist die Arterhaltung der Dülmener Wildpferde. Im 19. Jahrhundert kam der Merfelder Bruch mit rund 40 verbliebenen Tieren in den Besitz des Herzogs von Croy. Heute sind die Wildpferdebahn und die nun rund 400 Pferde noch immer im Besitz der Familie, wohingegen andere Wildpferdeherden aus NRW gänzlich verschwunden sind. Um vor allem Inzucht und Rangkämpfe in der Herde zu vermeiden, werden die Jährlingshengste im Mai von der Herde selektiert. Was viele nicht wissen, die Herde besteht bis auf die Fohlen, ausschließlich aus Stuten. Nur im Sommer kommt ein ausgewählter Hengst zu der Herde, um den Arterhalt zu sichern.
Auch außerhalb der Wildpferdebahn werden Dülmener (Wildpferde) gezüchtet, denn sie stehen auf der „Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Haustiere“ in Europa. Wildpferdenachkommen, die außerhalb der Wildpferdebahn geboren werden, bezeichnet man als „Dülmener“. Die Nachkommen aus dem Merfelder Bruch sind hingegen waschechte „Dülmener Wildpferde“.
Die Wildpferdebahn ist an diesem besonderen Tag bereits am Morgen um 8:30 Uhr geöffnet. Wer die Herde also noch einmal in ruhiger Umgebung beobachten möchte, kommt am besten schon vor dem großen Ansturm. Bis zum eigentlichen Beginn des Wildpferdefangs um 15:00 Uhr bleibt also noch genügend Zeit für das abwechslungsreiche Rahmenprogramm. Neben zahlreichen Buden mit Essen und Getränken, gibt es einige Ausstellungs- und Informationsstände, bspw. vom Westfälischen Pferdemuseum oder verschiedenen Reitsportgeschäften. Auch einige Spiel- und Spaßangebote warten auf die kleinen Gäste und ein absolutes Muss ist der Loskauf. Wofür? Das erzähle ich später.
Etwas abseits vom Trubel standen Wildpferde, die bei vergangenen Wildpferdefängen von der Herde eingefangen wurden und ein neues Zuhause gefunden haben. Vor jedem kleinen abgetrennten Paddock hing ein Schild mit dem Namen des Pferdes, einer hieß „Merlin von Croy“. Darunter standen Informationen, wann das Pferd im Merfelder Bruch geboren wurde und wann es eingefangen wurde. Häufig stand auch dabei, ob das Pferd nun im Springen, in der Dressur oder beim Fahren eingesetzt wird. Wirklich interessant und unglaublich spannend zu sehen, wie aus den kleinen zotteligen Junghengsten, tolle mutige und absolut zuverlässige Freizeitpferde geworden sind.
Um 13:30 Uhr füllten sich plötzlich die Ränge der Tribünen, auch ich suchte mir meinen Platz im Block G und lauschte gespannt der Begrüßung um 13:45 Uhr. Im Anschluss folgte eine Vorführung der Wildpferdefreunde e.V. Alle Pferde des Showprogramms sind im Merfelder Bruch geboren, auch Merlin konnte ich hier wiedersehen. Zuerst zeigten die Youngsters ihr Können vom Boden und bei Zirkuslektionen, anschließend folgte eine Präsentation der gerittenen Pferde in einer Quadrille oder als Springpferd. Das Programm wurde durch eine Greifvogelshow, einen Ritterwettkampf und eine Darbietung der Show- und Stunt-Reiterin Yvonne Gutsche abgerundet. Spätestens jetzt waren auch die Väter trotz des letzten Bundesliga-Spieltages im Merfelder Bruch angekommen.
Um 14:57 Uhr wurde es auf einmal ganz leise im Merfelder Bruch, in der Arena und auf den Tribünen. Ein paar Sekunden später waren die Hufe in der Ferne zu hören und dann kamen die Ponys im vollen Galopp, von einer Staubwolke umgeben, in die Arena des Merfelder Bruchs. WOW! Was für ein unbeschreiblicher Moment und eine einzigartige Atmosphäre. Und schon ging es los, die Fänger, junge Männer und Frauen aus der Umgebung, die kurz vorgestellt wurden, begannen die große Herde zu separieren. Immer wieder wurden kleine Herden von der großen Gruppe getrennt, in eine gepolsterte Ecke der Arena getrieben und dort wurden die jungen Hengste mit bloßen Händen eingefangen. Nachdem die Jährlinge aufgehalftert wurden, kamen die übrig gebliebenen Stuten in einen abgetrennten Bereich der Arena, wo sie darauf warteten wieder in die Freiheit des Naturschutzgebietes entlassen zu werden. Für die Junghengste hieß es dann Registrieren und Chipen und anschließend bekamen sie alle eine Kopfnummer. Heute waren es insgesamt 34 Jährlingshengste, die von der Herde separiert wurden. Nach ca. 1 Stunde begann der Moderator Losnummern vorzulesen, insgesamt 5 Losnummern, bis kurz vor Ende des Fangs. Die ersten fünf Hengste wurden noch während des Fangs verlost. Anschließend konnten die glücklichen Gewinner bestimmen, ob sie ihr Dülmener Wildpferd behalten möchten oder mit den restlichen Junghengsten in die Versteigerung geben.
Nach ca. zwei Stunden waren alle Hengste gefangen und die Stutenherde wurde unter Applaus der Zuschauerinnen und Zuschauer wieder in ihre Freiheit entlassen. Nun begann die Versteigerung der Junghengste, insgesamt 31 standen bei diesem Fang zum Verkauf. Um ca. 18 Uhr leerte sich langsam der Merfelder Bruch und es kehrte wieder Ruhe in das Naturschutzgebiet ein. Nach den doch etwas stressigen letzten drei Stunden, übernachteten die jungen Hengste, ein letztes Mal auf dem Gelände im Merfelder Bruch und zogen am nächsten Tag ganz in Ruhe in ihr neues Zuhause.
Seitdem ich denken kann, verbringe ich meine Freizeit mit Pferden, aber der Wildpferdefang ist nochmal etwas ganz Besonderes, Einmaliges. Umso mehr freue ich mich, dass ich die Chance hatte einmal dabei zu sein und ich glaube, auch jeder Nicht-Reiter ist genauso gefasst von dieser tollen Stimmung.
Wer eines der begehrten Tickets ergattern möchte, muss schnell sein. Die Karten sind bereits Monate vor der Veranstaltung ausverkauft. Aber keine Angst, du kannst am letzten Samstag im Mai auch ohne eines der begehrten Tribünentickets im Merfelder Bruch dabei sein. Zwar kannst du den Fang nicht von der Tribüne aus verfolgen, diese einzigartige Atmosphäre wirst du aber dennoch spüren!