Wir sehen vieles aus unseren Büros in der Vorburg der Burg Vischering. Wenn ich aber aus meinem Bürofenster schaue, habe ich allerbeste Sicht auf den Innenhof. Hier haben wir schon so einiges organisiert. Trotzdem: Die zahlreichen Events in meinem jetzt viereinhalbjährigen Mitwirken hier im Kulturteam des Kreises Coesfeld entsprechen wohl maximal einem Millimeter auf dem Zollstock der 750 Jahre Geschichte der Burg Vischering.
In diesem Jahr feiern wir siebeneinhalb Jahrhunderte Burg Vischering mit einem umfassenden Jubiläumsprogramm. Die spätestens jetzt amtlich alte Burg wurde 1271 das erste Mal urkundlich erwähnt. Unnötig zu erwähnen, warum die Feierlichkeiten nicht bereits im errechneten Jubiläumsjahr 2021 abgehalten wurden.
Am späten Nachmittag herrscht kurz Reizüberflutung im Innenhof. Beide Bands „ROMEOZ“ und „Home to Paris“ kommen fast zeitgleich in den Innenhof gefahren, um Schlagzeug, Teppich, Amps und Gitarren auszuräumen. Dazu fragt Techniker Thomas mich, ob wir noch Stoff für die Bühnenverkleidung in der Vorburg liegen haben. Auch das Essen von einem Lüdinghauser Cateringteam dürfte jeden Moment geliefert werden. Was für die neugierigen Gäste des Cafés im Vorburg-Innenhof nach Stress klingen könnte, bringt erfahrene Veranstaltende nicht so wirklich aus der Ruhe.
„So sind wir auch noch nicht begrüßt worden!“, äußert sich der Sänger der ROMEOZ lachend gegenüber der kleinen Traube aus Musizierenden zweier Bands und Techniker Thomas am Bühnenrand. An mir selbst als Gastgeber kann es nicht gelegen haben: Mehr als ein „Herzlich willkommen!“ oder „Moin!“ kam noch gar nicht über meine Lippen. Schnell begreife ich aber, was er meint, weil der Bandbulli die lange Straße vom Torhaus zu uns gerollt ist. Als zusätzliche Werbung habe ich vor drei Wochen mit unserem Hausmeister Stephan ein 3x1m großes Banner mit den beiden Bands zwischen zwei Bäume in der Nähe der Kapelle aufgehängt.
„Die bessere von beiden Bands darf das nachher mit nach Hause nehmen“, schmeiße ich in die Runde. Zugegeben, den Joke habe ich bei der allerersten KnightNight im Mai auch schon gebracht. Das kompetitive Gelächter der Musizierenden pustet aber schnell den Staub von meiner Aussage.
„Wir haben aber auch echt Glück mit dem Wetter!“, höre ich eine Besucherin sagen, als „Technik-Thomas“ und ich den Innenhof nach dem gemeinsamen Essen mit Bands, Helferinnen und Helfern wieder betreten. Das klingt schon stark nach einem Aufschlag zu einem amtlichen Smalltalk, ist mir, der sonst mit jedem Wetter leben kann, an diesem Abend aber auch wichtig. Schließlich haben wir Anfang September, im Kartenquartett verliert dieser Monat regelmäßig gegen die aus der Jahresmitte im Punkt Wettersicherheit.
Und dann geht’s schon los: Meine Augen kneife ich etwas zusammen, denn die später an dem Abend noch wichtig werdenden Bühnenstrahler nehmen mir etwas die Sicht auf die über 170 Gäste im Innenhof. Nach einer wirklich kurzen Begrüßung und einem Appell an die Unterstützung der lokalen Musikszene, betreten die Musizierenden der „ROMEOZ“ die Bühnenbretter. Privat höre ich ganz selten Ska, aber direkt merke ich, was diese Musikrichtung bei Besuchenden auslösen kann: leicht tanzende Bein- oder sanft geschlossene Augenpaare bestätigen mich darin. Die Band zeigt über 60 Minuten, was sie in einigen Jahren Bandgeschichte gelernt hat. Selbstverständlich spielt ihr in die Karten, dass sie eine Lüdinghauser Vergangenheit aufweist.
Noch während des ziemlich guten Sets der „ROMEOZ“ kommt einer der Bläser von „Home to Paris“, dem Hauptact heute Abend, auf mich zu. Wir gehen wegen der Lautstärke noch ein paar Meter zurück und mit Blick auf die Bühne fragt er mich: „Dürfen wir die Telefonbücher benutzen?“ Die Kombination um „Home to Paris“ habe ich in der Vergangenheit bereits in Coesfeld auf der Pfingstwoche – dem dortigen Stadtfest – live gesehen und erinnere mich an die Aktion der Musizierenden: Bei etwa der Hälfte des Auftritts verteilen zwei, drei Bandmitglieder alte Telefonbücher im Publikum, jede und jeder trennt sich ein paar Seiten raus und zerreißt es zu kleinem, recyceltem Konfetti. Auf Kommando des Bandleaders schmeißen es dann alle bei einem bestimmten Song gleichzeitig hoch. Tatsächlich muss ich kurz abwägen, stimme aber spontan zu.
Ein weiterer Vorteil, „Home to Paris“ schon mal live gesehen zu haben: Man bucht nicht die Katze im Sack. Mit Songs wie „That´s Why We´re Here“ oder „Just Like The Sun“ hält die Band die Gäste trotz inzwischen eingetroffener Dunkelheit bei bester Laune und füllt spätestens jetzt auch das letzte Ska-Herz im Innenhof. 80 Minuten gute Tracks inkl. zweier vom Publikum geforderten Zugaben bestätigen mich darin, keinen verfälschten Eindruck zu haben, wenn ich ein verfrühtes Fazit von einem unterhaltsamen Abend im Zeichen der Musik mache.
Jetzt geht es fast rückwärts: Nach dem Einladen aller Instrumente und der Verabschiedung aller Beteiligten verlassen die Bands zufrieden den Vorburg-Innenhof der Burg Vischering. Nur Techniker Thomas braucht noch etwas Zeit, er packt noch Kabel und Monitore in seinen weißen Bulli. Wir leisten ihm aber noch Gesellschaft: Das Aufsuchen der Konfettischnipsel kostet uns aufgrund der Kieselsteine in den Bodenfugen eine Extrastunde Arbeit…
Die 3. Auflage der KnightNight findet am Freitag, 5. Mai unter dem Motto „Pop-Punk & Indie“ statt. Es spielen die Bands Kings&Hurricanes aus Münster und BARRIKADEN aus Münster.
Details zur III. KnightNight und Tickets gibt es hier.
Hello! Mein Name ist Lukas und ich arbeite seit acht Jahren für den Kreis Coesfeld, die letzten fünf in der Kulturabteilung mit Sitz auf Burg Vischering. Wahrscheinlich bin ich selbst gar nicht der allergrößte Burgenfan, liebe aber die Kulturlandschaft im ländlichen Raum. So sehr sogar, dass ich vor einigen Jahren mit Freunden in Coesfeld einen Verein zur Förderung von selbstgeschriebener Musik gegründet habe (please follow @brawlconcerts) und somit auch privat Teil einer mir absolut zusprechenden Szene bin. Selbst gespielt habe ich aber nie etwas. In Verein und Beruf bin ich vor allem fürs Marketing, für Social Media und die Veranstaltungs-organisation verantwortlich.
Ist deine selbstgeschriebene Musik etwas für die KnightNight an der Burg Vischering? Dann melde Dich gerne unter lukas.bertels@kreis-coesfeld.de