Der Falkenhof könnte zentraler nicht liegen: Mitten in Rheine, nicht weit entfernt vom neu sanierten Marktplatz, schlummert er etwas versteckt hinter einer steinernen Mauer. Ich war schon oft in Rheine, auch schon oft auf dem Marktplatz, aber diese eine Parallelstraße, die mich an den Mauern entlanggeführt hätte, bin ich nie gegangen. So freue ich mich umso mehr, Rheine heute ein Stückchen besser kennenlernen zu dürfen.
Ich treffe mich mit Dr. Christiane Kerrutt , Kunsthistorikerin und Kuratorin des Museums. Sie wird mir heute einiges zu diesem besonderen Ort erzählen.
Der Falkenhof war Sitz der Adelsfamilie von Falke, die auch Namensgeber des Anwesens waren. Durch die Heirat von Anna von Falke mit Dietrich von Morrien kamen zwei Adelslinien zusammen, deren Wappen heute noch am Gebäude zu sehen ist. Also bevor du das ehemalige Adelshaus betrittst, erstmal Augen auf und Wappen suchen!
Der großzügig angelegte Platz mit dem symmetrischen Gebäude wirkt sehr einladend. Christiane weist mich auch auf den Taubenbrunnen hin, der vor dem Museumseingang steht. Es ist ein Taubenhaus über einem früheren Trinkbrunnen. „Die Taubenzucht war den Adeligen vorbehalten“, erzählt sie mir. Ich dachte immer, dass Adelige nur Spaß an der Pferdezucht hatten – falsch gelegen!
Wir betreten den ersten Museumsteil des historischen Gebäudes. Hier fallen mir sofort die beiden Kästen auf, die nebeneinander stehen und die Stadt Rheine im 9. Jahrhundert und im 14. Jahrhundert zeigen. Die Stadtentwicklung Rheines ist beträchtlich: Erst steht der Falkenhof einsam vor den Stadtmauern, später ist er in die Stadt integriert. Während wir über die Vor- und Nachteile dieser Integration sprechen, höre ich ein Klirren, das sich anhört wie zwei kämpfende Schwerter. Ich vermute erst, dass Christiane einen etwas seltsamen Mitteilungston für ihr Smartphone gewählt hat, stelle dann aber fest, dass das Geräusch aus dem Nebenraum kommt. Hier springt das Licht an, als wir reinkommen, und gezeigt werden die unterschiedlichen geschmiedeten Waffen, die in früheren Kriegen verwendet wurden.
Wir steigen ein paar Stufen in den Gewölbekeller hinab. Hier sind archäologische Funde aus Rheine ausgestellt. Ich hatte mit Tonscherben gerechnet, stattdessen erwarten mich filigrane Glasgefäße in sattem Grün oder zartem Blau. Dass diese hier überhaupt gefunden wurden, grenzt an eine Sensation, denn bis 2003 hatte niemand aus Rheine einen blassen Schimmer, was da so tief in der Erde schlummert und darauf wartete, entdeckt zu werden…
Dank eines Förderprojektes konnte der Falkenhof Anfang der 2000er-Jahre umfassend erweitert und saniert werden. Was nach grober Baustellenarbeit klingt, entpuppte sich 2003 als Überraschungsei, denn statt auf Erde, Geröll und Sand stießen die Baufahrzeuge auf Ziegelsteine im Boden, die die Gewölbedecken unterirdischer Gänge waren. Hier schlummerte der Abfall des Falkenhof in Form von Glas- und Tonscherben und anderer Fundstücke. So konnte die Lebensweise der in einem Haushalt des Adelshofes lebenden Menschen besser nachvollzogen werden. Das ist gerade mal zwanzig Jahre her! Am Ende des Raumes werfe ich durch eine Glasplatte einen Blick nach unten in den ehemaligen Tunnel.
Auf dem Gelände des Falkenhof befindet sich ein Spielplatz, der selbst unter den Bewohnerinnen und Bewohnern von Rheine ein Geheimtipp ist. Rechts neben dem Gebäude im Garten gelegen ist der Spielplatz von den darunter gelegenen Zufahrtswegen nicht einzusehen. Wer also seine Kinder in Ruhe spielen lassen will: Dorthin sollte es gehen!
Für uns geht es wieder nach oben. Wir durchqueren den eindrucksvollen Morriensaal, der durch bemalte Holzbalken an der Decke und einen wunderschönen Kamin besticht. Ich stelle mir vor, wie es wohl war hier mit einem rauschenden Ballkleid eine Runde Wiener Walzer aufs Parkett zu legen… Aber statt im Dreivierteltakt durchqueren wir im normalen Schritttempo den großzügig geschnittenen Saal. Im nächsten Ausstellungsteil des Falkenhofs sind wir im „Alltag des Bürgertums“ angekommen. Ein restauriertes Biedermeiersofa und andere Möbelstücke vermitteln mir die Lebens- und Wohnweise der Zeit um 1850. Passend dazu sind Werke des Künstlers Carl Weddige aus Rheine zu sehen, die Alltagssituationen aus der Biedermeierzeit zeigen: Eine zarte Frau steht am Fenster und blickt sehnsüchtig nach draußen, eine Person sitzt draußen und scheint Kartoffeln zu schälen. Neugierig tippe ich einen Touchscreen an, der die Größe eines Schreibtisches hat. Es ploppen Texte und Bilder auf und ich könnte mich stundenlang in diesem Wissen verlieren, aber wir haben noch mehr zu sehen.
Für uns geht es ganz nach oben zum Dachboden. Zwischen den offenen Fachwerkbalken drängen sich Kästen, Aufhängungen und Regale mit der hauseigenen grafischen Sammlung. Der Raum hat eine eindrucksvolle Atmosphäre durch die vielen starken Eichenbalken, die das imposante Haus halten, gleichzeitig aber auch wie Schmuckelemente mitten im Raum wirken. Am Ende des Raums ist ein früheres Transportrad befestigt, ähnlich wie bei einem Flaschenzug. Während ich mir die Dinge fasziniert ansehe, beantwortet Christiane mir meine Fragen zur Stadtgeschichte und den damaligen Lebensweisen. Sie kommt mir vor wie ein wandelndes Lexikon, das sämtliche Geschichtsteile Rheines eingesogen haben muss! Wie schön, dass dieses Wissen nicht mehr verloren gehen kann.
Zu guter Letzt werde ich in den Raum der Dauerausstellung des Kunstsammlers Kasimir Hagen geführt. Die Sammlung beinhaltet Kunst vom Mittelalter bis zur Moderne und oft werden Kunstwerke an Museen ausgeliehen oder die Dauerausstellung muss aus anderen Gründen umgestellt werden.
Warum ist der Falkenhof so unbekannt, frage ich mich. Hier ist es nicht mit einem einstündigen Durchrauschen getan. Die so sehr ortsbezogene Geschichte auf Rheine und den Falkenhof fasziniert mich immer mehr. Würde ich in Rheine wohnen wäre ich ein wenig Stolz auf diese weitreichende Historie. Jetzt genieße ich aber erstmal einen Stadtbummel und gönne mir einen Kaffee in der Innenstadt, gerade mal einen Katzensprung entfernt…
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