Es ist Mittwoch und ich habe mich mit Judith Frey auf der Burg Hülshoff verabredet. Sie ist die Leiterin des Bereichs Kommunikation und kennt die Ausstellung wie keine andere. Auch ihr Kollege Michael Garoz Garcia begleitet uns und zieht während unseres Rundgangs die ein oder andere Anekdote und viele geschichtliche Details aus der Tasche.
Nach einem kurzen Schnack machen wir uns also zu dritt auf den Weg in die Burg. Im Erdgeschoss wandeln wir auf den Pfaden der Droste-Hülshoffs und tauchen ein ins 18. Jahrhundert. Vom Empfangszimmer geht es in den großen Speisesaal mit der Ahnengalerie und Wolfgang beginnt von der Geschichte dieser Burg zu erzählen.
„Die Burg war bis 2007 Stammsitz einer der ältesten westfälischen Adelsfamilien, die die Geschichte des Fürstbistums und der Stadt maßgeblich mitgeprägt hat. Die bekannteste war natürlich die unserer Annette von Droste-Hülshoff“, berichtet Michael. „Auch wenn Annette mit ihrer Mutter und ihrer Schwester im Herbst 1826 ins Haus Rüschhaus, den Witwensitz, gezogen ist, so war die Droste-Familie mit seiner letzten Vertreterin bis 2007 hier wohnhaft.“
2012 wurde die Burg mit allen Anlagen in die Stiftung überführt, welche sich seitdem um alle Belange sowie die Ausstellung kümmert und diese ausbaut.
Warum Anette auszog? Vater Clemens August von Droste zu Hülshoff war im Juli 1826 unerwartet gestorben, Annettes jüngerer Bruder Werner hat dann den Stammsitz übernommen. Der Auszug aus der Burg war für die Dichterin eine Zäsur – auch wenn der Abschied von dem geliebten „Vaterhaus“ kein endgültiger war. Heute ist der Weg zwischen Haus Rüschhaus und der Burg Hülshoff als Lyrikweg bekannt. Details hierzu kannst du hier lesen.
Wir setzen unseren Rundgang fort und ich erhalte einen Einblick in das Schlafzimmer, in dem noch der originale Kleiderschrank zu sehen ist. Hier haben Annette und ihre Schwester Seiten aus Modemagazinen in die Schranktüren geklebt, welche noch heute zu erahnen sind. Manche Dinge bleiben eben doch gleich. Weiter geht’s durch das Garten- und Arbeitszimmer vorbei an alten Ritterrüstungen und unzähligen Büchern. Dass letztere Lust aufs Lesen und Schreiben machen, kann ich sofort nachvollziehen!
Wolfgang verabschiedet sich und Judith und ich begeben uns ins 1. Obergeschoss, hinauf in alte Räume mit aktueller Kunst.
Zum ersten Mal werden hier die Handschriften von Annette von Droste-Hülshoff digital verfügbar gemacht. Innerhalb der dazugehörigen Ausstellung kannst du sechs neue Räume entdecken, die die Handschriften in die Gegenwart holen. Dazu wurden KünstlerInnen-Kollektive eingeladen, die auf der Grundlage der Textbilder der Dichterin diese Räume gestaltet haben. Jeder der Räume setzt sich so mit den digitalisierten Handschriften Annettes auf seine ganz eigene Weise auseinander.
Oben angekommen öffnet Judith die Tür eines großen Schrankes, wir gehen hinein und ich stehe in einem modernen Arbeitszimmer. Dorothee Elmiger befasst sich hier mit der Motivsammlung
zur Judenbuche und hat das Studierzimmer von Drostes Vater nachgestaltet.
Probiere dich in den Räumen aus und befasse dich selbst mit den Handschriften von Annette von Droste-Hülshoff. Dadurch kannst du der Dichterin noch einmal auf eine ganz andere Weise näher kommen.
Einen Raum weiter setzt sich die Schriftstellerin und Lyrikerin Nora Gomringer mit dem
Frühwerk „Bertha oder die Alpen“ auseinander und verwandelt Drostes Kinder- und Jugendzimmer in eine kalte, verschneite Alpenlandschaft.
Almut Pape und Emese Bodolay vom Künstler*innen-Kollektiv Anna Kpok haben sich mit der Musikerin Laura Eggert zusammen getan. Auf dem Dachboden gehe ich durch einen Fadenvorhang, auf den eine Oase projiziert ist. Bei orientalischen Klängen kann man hier die Handschrift Annettes reproduzieren und in ein großes Mobile hängen.
Wieder unten angekommen erhasche ich einen Blick ins Badezimmer. Auf Leuchtstäben in verschiedenen Farben ist die Handschrift Annettes zu sehen ist – eine spannende Installation, die das Künstlerinnen-Kollektiv Hyphen-Labs hier umgesetzt hat.
In zwei weiteren Räumen wird in das Thema der digitalisierten Handschriften eingeführt, unter anderem wird der Prozess der Digitalisierung selbst beleuchtet, aber auch, wie sich die Seiten beim Schreibprozess der Droste gefüllt haben. Eine App begleitet die Ausstellung.
Die Ausstellung wird Ende September nach Berlin gehen, kommt im Anschluss wieder zurück ins Münsterland und wird noch einmal auf der Burg Vischering sowie im Kulturgut Haus Nottbeck präsentiert. Über den genauen Zeitpunkt halten wir dich hier auf dem Laufenden.