Es ist Freitagabend, die Woche war anstrengend und mein Freund und ich freuen uns auf einen schönen Start ins Wochenende mit einem Besuch im Brauhaus Stephanus in Coesfeld. Wir bekommen einen Tisch in der Braustube, die durch die kupferfarbenen Kessel und die große Theke rund um den Schankbereich geprägt ist. Kleinere Tischgruppen sind leicht erhöht und durch halbhohe Holzwände abgetrennt. So fühlen wir uns einerseits mittendrin, andererseits aber auch ein bisschen für uns.
Das Brauhaus Stephanus hat an jedem Tag der Woche ab 11 Uhr geöffnet und auch jeden Tag einen anderen Aktionstag. Freitags gibt es ab 18 Uhr Burger.
Wir wissen erst gar nicht, was wir nehmen sollen. Burger und Bier passt super zusammen, aber das Ambiente verleitet uns dann doch eher dazu, etwas aus der regulären Karte zu wählen. Wir entscheiden uns für das Mälzerschnitzel, ein mit Braumalz panierter Schweinerücken an Bockbiersoße mit Bratkartoffeln, Marktgemüse und Sauce Hollandaise und Bandnudeln aus dem Münsterland mit Crevetten in sämiger Knoblauchsoße, Cherrytomaten und Zitrone. Dazu gibt es – wie könnte es anders sein – ein Stephanus Bräu Original.
Im Brauhaus Stephanus gibt es regulär zwei Biersorten, das Stephanus Bräu Original und das Coesfelder Ur-Typ. Daneben wechseln sich die saisonal bedingten Biersorten ab. Im Herbst/Winter gibt es das „Grünhopfen“, „Heimatstoff“ und „Winterdoppelbock“. Ab Frühjahr/Sommer werden sie abgelöst vom „Frühlingsbock“ und dem „Coesfelder Weißbier“. Wer zur richtigen Zeit kommt, kann sich die „coestlichen Sechs“ bestellen und einmal alle Sorten durchprobieren. Im August geht’s leider nicht. Dafür ist es möglich, sich für Zuhause ordentlich einzudecken, denn es gibt 1-, 2- oder 3-Liter Flaschen sowie Partyfässchen und Sechserträger mit den süffigen Biersorten.
Die sieben Männer an unserem Nebentisch bekommen ihr Essen: Spare Ribs, Schaufelbraten, Burger und andere Gerichte werden aufgetischt. „Davon werde ich wenigstens satt!“, tönt einer der Männer sehr laut. Als wir unsere Speisen serviert bekommen, kann ich nur still zustimmen. Die Portionen sind groß genug, um den Hunger schnell zu vertreiben und schmecken köstlich!
Die Speisekarte ist übrigens keine im schwarzen Plastikmäppchen verpackte Auflistung von Speisen und Getränken, sondern ein Magazin im Hochglanzdruck. Während wir im bebilderten „Brauhaus Journal 2022“ blättern, lesen wir viel über die Geschichte der Brauerei. Als die erste Gasthausbrauerei in Coesfeld ist das Brauhaus Stephanus 1990 an den Start gegangen. Die Brüder Stephan und Matthias Rulle haben sich ihren Herzenswunsch erfüllt und eine gut laufende Fleischerei mit Partyservice sowie ein sicheres Angestelltenverhältnis über den Haufen geworfen, um ihre eigene Gasthausbrauerei zu gründen – mitten in Coesfeld. Dass sie auf’s richtige Pferd gesetzt haben, können wir direkt spüren, denn der Laden brummt. Neben dem Gasthaus und der Brauerei gibt es direkt nebenan auch ein Hotel.
Wie der Brauvorgang abläuft, sehen wir nicht nur im Heftchen, sondern auch durch bunte Wandmalereien zu unserer Linken. Das Brauhaus ist übrigens auch Mitglied beim Münsterland-Siegel und wurde im Blog Paula Pumpernickel porträtiert.
Einen Sechserträger Bier mitnehmen und entweder selbst genießen oder verschenken. Das Bier ist nur gekühlt bis zu 14 Tage haltbar, weil auf Filtration verzichtet wird. Ein echtes Frischeprodukt eben.
Wir sind weit davon entfernt, das Brauhaus Stephanus wirklich kennenzulernen, denn das Angebot ist sehr groß. Es gibt regelmäßig stattfindende Bier-Tastings mit Biersommelière Ramona Wiegers, Führungen zum Thema Bierbrauerei inkl. Getränk und Essen, Bierseminare, Bosseltouren und natürlich die saisonalen Termine, die bereits seit den frühen 1990er-Jahren eingeführt wurden. So ist das Oldtimertreffen am 1. Mai oder das Treckertreffen, das in jedem ungeraden Jahr am 1. Sonntag im September stattfindet, schon ein altbekannter Termin weit über die Grenzen Coesfelds hinaus.
Bevor es wieder nach Hause geht, gucken wir uns noch in den anderen Räumlichkeiten um. Neben der Braustube, in der wir sitzen konnten, gibt es noch den Brausaal und die Malztenne. Das Besondere der Malztenne, die auch die Verbindung zum Hotel darstellt, ist die traditionelle Einrichtung und der Flaschenhimmel. Die großen grünen und braunen Flaschen funkeln im warmen Licht. Und wer den Blick oben weiter schweifen lässt, kann auch Mofas und Motorräder der etwas älteren Generation bewundern. In der Mitte des Raumes steht noch ein typisch westfälisches Herdfeuer mit dazu passenden Fliesen. Es fühlt sich ein wenig wie eine Zeitreise an.
Den neu ausgebauten Hopfenspeicher bekommen wir aber nur zufällig zu sehen, denn Martin, angestellte Servicekraft im Brauhaus Stephanus, fängt uns ab und nimmt uns mit nach oben. Er bereitet den Raum gerade für eine Hochzeitsgesellschaft vor, die am Wochenende dort feiern wird. „Unser männliches Personal hat während der Lockdowns die Decke freigekloppt. Jetzt ist der Raum viel heller und offener“, erzählt er uns. Die Balken vom Fachwerk liegen frei, Wände und Decke sind weiß getüncht und geben dem Raum einen frischen, modernen Charakter. Martin folgt unserem Blick, der bei dem grünen Wandgemälde hängen bleibt, das wie ein Dschungel aussieht. „Das ist Hopfen. Wir bauen für unser ‚Grünhopfen‘ unseren eigenen Hopfen in Dülmen an. Und da dies der alte Hopfenspeicher ist, passte das Bild einfach so gut!“ Es ist alles sehr stimmig hier. Wir erfahren auch, dass hier oben die Biertastings stattfinden. Eines möchte Martin uns aber noch mitgeben: „Wir haben einen kleinen Spielplatz im Biergarten. Hier in der Ecke gibt es sonst nicht so viel, wo man gut mit kleinen Kindern hingehen kann. Ich bin selbst Familienvater, ich weiß, wie wichtig das ist.“ Wir bedanken uns bei Martin und treten die Heimreise an. Die anstrengende Woche ist vergessen, stattdessen beschließen wir, am 1. Mai wiederzukommen und beim Oldtimertreffen teilzunehmen, dann können wir mit dem Probieren der uns noch fehlenden Biersorten weitermachen.